Elke gibt nicht auf


Elke hatte eine Art, Dinge in Bewegung zu setzen, ohne dass man es merkte. Sie war keine Frau, die um etwas bat - sie machte Vorschläge, die sich wie Tatsachen anfühlten. Man hatte nicht das Gefühl, dass sie einen drängte, und doch bewegte man sich in ihre Richtung, wie ein Blatt in einem Strom, das glaubt, selbst zu treiben.

Sie war gerade fünfzig geworden, und man sah es ihr nicht an. Nicht nur, weil sie gut aussah - sie hatte eine Haltung, die alterslos war. Sie war eine jener Frauen, die man sich in jeder Lebensphase gleich gut vorstellen konnte: als Kind, das die Erwachsenen mit klugen Fragen aus dem Konzept brachte, als Jugendliche, die früh wusste, was sie wollte, als Erwachsene, die andere mit ihrer Ruhe führte, ohne je laut zu werden.

Elke sah und wirkte auf mich ganz anders. Ich sagte immer, wir passen einfach zusammen. Sie akzeptierte Entscheidungen, aber sie war bewusst anders. Und sie war eine Frau, die sich nicht abwimmeln ließ.

Der Rhythmus der Sonntage sollte zu Elkes Geschenk werden. Jeden Sonntag pünktlich um 16.00 Uhr war sie da. Ich schaffte es nicht immer, hatte andere Verabredungen, trennte mich von Freud und Leid. Ganz intensiv war ein Kind für meine echten 4er.

Mal war es eine Nachricht, mal ein Anruf. Nie war es eine Frage, die man einfach mit „Nein“ beantworten konnte. Sie schrieb nicht einfach: „Hast du Zeit?“ - Sie schrieb:

„Ich koche heute etwas, das dir schmecken wird.“

„Es gibt Rotwein, den du probieren solltest.“

„Der Himmel sieht heute aus, als wolle er uns eine Geschichte erzählen.“

Das waren Sätze, die Raum ließen. Sätze, die nicht forderten, aber auch nicht ignoriert werden konnten. Sie hatte eine Art, aus einer einfachen Einladung etwas zu machen, das sich nicht wie eine einfache Einladung anfühlte.

Ich habe oft abgesagt. Nicht aus Desinteresse, sondern aus einem Gefühl heraus, das ich nicht ganz fassen konnte. Elke und ich waren verschieden - nicht in unseren Interessen, nicht in unseren Gesprächen, sondern in etwas Tieferem. In der Art, wie wir die Dinge betrachteten. Wir sprachen nie über Politik, Sport, Filme, Literatur. Wir haben unseren Sport, aber wir können nichts miteinander teilen. Kürzlich waren wir in einer weit entfernten Stadt, ich hatte einen sehr großen Unterschied und wir sahen uns nicht zusammen. Meine Arbeit ist ganz anders als ihre.

Ich war zurückhaltend. Ich habe nachgedacht, bevor ich gehandelt habe. Ich habe mich nicht treiben lassen.

Elke war anders. Sie wartete nicht.

Das Haus am Rande der Großstadt hatte sicher seine Vorteile, aber diese Art war ungewöhnlich. Irgendwann ließ ich mich darauf ein. Vielleicht, weil ihre Beharrlichkeit eine eigene Logik hatte. Wenn jemand nie aufgibt, fragt man sich irgendwann, warum.

Ihr Haus lag außerhalb der Stadt an einem Hang mit Blick auf die Felder. Es war groß, aber nicht protzig. Alt, aber nicht baufällig. Es hatte einen Charakter, der nicht von Innenarchitekten geschaffen worden war, sondern von Jahren gelebten Lebens.

Als ich ankam, war die Tür offen. Ich zögerte einen Moment, dann trat ich ein.

Der Duft von Gewürzen lag in der Luft. Kräuter, Zimt, etwas, das leicht nach Rauch roch. Der Kamin brannte.

Elke stand in der Küche, eine Schürze umgebunden, ein Glas Wein neben sich. Sie drehte sich um, als hätte sie mich erwartet.

„Da bist du ja.“ Keine Überraschung, keine Frage. Nur eine Feststellung.

„Ja“, sagte ich.

Sie nahm zwei Teller aus dem Regal und stellte sie mit einer Selbstverständlichkeit auf den Tisch, die mich einen Moment innehalten ließ. Sie hatte nicht gefragt, ob ich bleibe. Sie hatte einfach gedeckt.

Das Essen war wie immer hervorragend. Sie kochte nicht nur, sie schuf. Ihre Hände bewegten sich, als folgten sie einer Melodie, die nur sie hören konnte. Sie sprach nicht viel, aber sie sah mich an, mit diesem Blick, der mir manchmal unangenehm war.

„Du denkst zu viel“, sagte sie irgendwann.

„Und du nicht genug?“

Ein leichtes Lächeln. „Ich denke, wenn es nötig ist. Aber nicht, wenn ich schon weiß, was ich will.“

Ich trank einen Schluck Wein. Er war stark, schwer, hinterließ eine Wärme in meinem Magen. Draußen wurde es dunkel. Der Wind strich um das Haus.

„Das Gästezimmer ist bereit“, sagte sie leise. Keine Einladung. Keine Bitte. Nur eine weitere Feststellung.

Ich sagte nichts. Aber ich wusste: Elke würde nicht aufgeben.